Ist man seit 765 Tagen auf Weltreise hat man definitiv viel Zeit zum Nachdenken. Vor allem auch, wenn man lange Strecken im Auto einfach nur geradeaus fährt, wie das z. B. In den letzten Tagen in Namibia der Fall war. Deshalb möchte ich meine Gedanken mal mit anderen als nur mit Eik teilen.

Wir dachten häufig, dass wir etwas dümmer geworden sind auf Weltreise, da wir ab und zu Dinge vergessen oder es uns einfach nicht merken können. Inzwischen ist uns klar geworden, dass wir ganz sicher nicht verdummt sind. Unsere Reise fordert unser Gedächtnis immens. Wir sind permanent auf Achse und erleben unglaublich viel Neues, denn an vielen Orten waren wir zuvor noch nie. Täglich müssen wir uns an neuen Orten zurecht finden, Routen raussuchen und planen, Supermärkte, Tankstellen und Übernachtungsmöglichkeiten suchen. Überlegen, für wie viele Tage wir Vorräte einkaufen müssen, bis wir zur nächsten Einkaufsmöglichkeit kommen etc. Mit unvorhersehbaren Situationen müssen wir ebenfalls umgehen wie z. B. eine Autopanne oder eine Strassensperrung. Täglich fällen wir neue Entscheide, die teils auch gut durchdacht sein müssen. Zuhause war dies nicht in diesem Masse notwendig, denn wir hatten eine Wohnung mit Lebensmittelvorräten, Dusche, WC, Bett etc. Einfach das übliche, was für uns inzwischen schon Luxus bedeutet.

Des Weiteren reisen wir recht schnell, da wir meistens nur eine Nacht an einem Ort verbringen. Ganz selten gab es die Situation in über zwei Jahren Weltreise, dass wir länger am selben Ort verweilten. Ausnahmen gab es schon, jedoch meist um unsere Weiterreise zu planen. Und auch wenn wir mal „Rast“ bei einer Unterkunft/Campground gemacht haben, waren wir meist den ganzen Tag irgendwo unterwegs oder haben das Auto geputzt und aufgeräumt. Manchmal erwischen wir uns, dass wir nicht mehr wissen, wo wir drei Tage zuvor übernachtet haben.
Was dazukommt, ist der unterschiedliche Reisestil. Anfangs waren wir in Asien mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Später häufig mit Mietautos oder Campern. Einmal kauften wir uns einen Van und bauten ihn zum Camper um und nun fahren wir mit einem 4WD durch Afrika, wo wir auch noch Linksverkehr haben. Wir möchten uns definitiv nicht beklagen, denn wir lieben es, so zu reisen.

Am 1. Dezember 2018, nachdem wir 25 Monate unterwegs waren und seit 7 Wochen in Afrika hauptsächlich auf Safaritour, stellten wir fest, wie viel wir jeden Tag nur schon hier aufs neue erleben. 
Ich meine, was erlebt man z. B. in 7 Wochen in der Heimat, wenn man seinem Alltag nachgeht? Mehr oder weniger täglich dasselbe. Frühmorgens reisst einem der Wecker aus dem Schlaf und man geht zur Arbeit. Die Abende und Wochenenden sind meist weit im Voraus verplant. Unternimmt man täglich was total unterschiedliches? Wohl eher nicht, was auch völlig normal ist.
Worauf ich hinaus will? Unsere unglaublich vielen teils sehr intensiven Tage können wir manchmal kaum richtig verarbeiten. Die unzähligen Fotos sowie auch das Blog schreiben, helfen bei unserem Gedächtnisschwund. Aber nein, wir sind alles andere als verdummt. Es ist eine grandiose Lebensschule und ab und zu fielen Hemmschwellen, die ich vor der Reise so nicht erwartet hätte. Ich bin auch in Länder gereist, die ich vor der Reise nicht mal in Erwägung gezogen hätte, aber man wächst in alles rein, wenn man bereit ist dazu. Wir haben viel gelernt über die Länder, Tiere, Menschen, Reisemöglichkeiten und natürlich auch über uns. 
Es war gut, mal aus der ganz normalen Gesellschaft auszubrechen, welche täglich im Hamsterrad ihre Runde dreht. Man sieht viele Dinge mit ganz anderen Augen und das ist sehr kostbar. Keinen Tag wollen wir missen und umso mehr geniessen wir die letzten Monate, denn die Vernunft wird uns wahrscheinlich im Mai 2019 in unsere Heimat zurückführen. Wie unser Leben nach 2,5 Jahren auf Weltreise aussehen wird, wissen wir nicht. Wo und wie wir wohnen werden, wissen wir nicht. Was für Jobs wir machen werden, wissen wir ebenfalls nicht. Wir könnten uns jetzt schon den Kopf über alles mögliche zerbrechen, aber wir sind überzeugt, dass sich Türen öffnen werden. Wozu immer alles vorausplanen, denn erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.
Ich hoffe sehr, dass ich das „Erlernte“ für lange Zeit aufrecht erhalten kann. Vor der Reise machte ich mir um so viele Dinge Gedanken. Ich hatte schlaflose Nächte wegem Job, war wochenlang im Voraus mit Terminen verplant und hatte kaum Zeit für mich und Eik. So rennt die Zeit und das Leben an einem vorbei. Es ist mir bewusst, dass es ein Teil der Schweizer Kultur ist, aber ist es wirklich nötig, sich so zu verplanen und die Jahre vorbeiziehen zu lassen?
Unsere Reise besteht aus täglich spontanen Eingebungen und ich liebe es!

Leute, die noch nie länger auf Reisen waren, können das Gefühl nicht nachvollziehen, was ich auch gar nicht erwarte. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte das Gefühl besser mit meinen Liebsten teilen, musste mir aber eingestehen, dass dies nicht möglich ist. Wenn man selber nicht in einer Situation steckt oder sie noch nie erlebt hat, ist ein Nachempfinden schwierig und das ist total menschlich.

Sollte ich den Leuten Zuhause mit einer Zufriedenheit und einem Dauergrinsen begegnen, ist das lediglich unserer einmaligen Auszeit geschuldet. Sorry 😉 Ich bin einfach nur unendlich dankbar für die einmalige Zeit, die wir bisher erleben durften und ich freue mich auf die restlichen Monate.

Wir sind gespannt auf unsere Reintegration in den ganz normalen Alltag im nächsten Jahr 😉