Heute, am 18. Juni 2018, sind wir seit 595 Tagen auf Reisen und für mich wieder mal Zeit ein Fazit zu ziehen.
Bevor wir unsere Reise am 1. November 2016 angetreten sind, gingen wir davon aus, dass wir ungefähr 1,5 Jahre unterwegs sein werden. Wir hatten nicht geplant, wo uns die Reise lang führt, sondern wussten lediglich, dass wir in China starten und dann nach Vietnam weiterreisen. Wegen dem Visum in China, mussten wir wissen, wann wir das Land verlassen werden. Klar hatten wir Ideen, wo es hingehen könnte, aber trotzdem wollten wir dies spontan entscheiden und so sind wir bis heute unterwegs. Wir versuchen, möglichst an allen Orten zur besten Jahreszeit zu sein, um schönes Wetter zu haben. Dies gelang uns meistens, aber es gab auch Destinationen, die von Natur aus eher kühl und rau sind. So z. B. Patagonien oder auch Alaska, wo wir momentan sind. Und ja, wir müssen zugeben, also vor allem ich 😉 , dass wir das schöne, warme Wetter bevorzugen und auf das kalte, graue und nasse verzichten könnten. Dennoch sind wir jetzt hier, schauen nach draussen, wo es kalt, grau und nass ist. Es ist morgens um 11.00 Uhr und wir wissen noch nicht, was wir an diesem heutigen Tag tun werden und wo wir hin sollen. Genau diese Freiheit und Spontanität ist das, was uns davon abhält, jetzt schon Nachhause zu gehen. Selbstverständlich wurden wir nicht von einem Wecker aus dem Schlaf gerissen, sondern eher die Blase meinte, dass es an der Zeit wäre, sie mal zu entleeren.
Wenn man so lange auf Reisen ist, hat man unglaublich viel Zeit zum Nachdenken und Reflektieren. Es wurden uns Dinge bewusst, die wir Zuhause erlebt haben, was unser Alltag war und wie die Menschen funktionieren. Was ich damit meine? Von Montag bis Freitag schrillt der Wecker frühmorgens und man muss aufstehen, weil man dem Job nachgehen muss, um Geld zu verdienen, damit man sich viele Sachen kaufen und im Luxus leben kann. Das war auch bei mir nicht anders. Ja richtig, man muss aufstehen, weil das von einem verlangt wird und nicht etwa weil man das möchte. Und ich gebe zu, dass ich Montage nicht geliebt habe. Es war häufig: “oh nein, morgen ist schon wieder Montag…”. Inzwischen weiss nicht mehr, wann Montag ist, weil es völlig unwichtig ist. Und ja, häufig dachte ich auch: “hoffentlich ist bald Freitag und somit Wochenende”. Ist es ernsthaft das Ziel vom Leben? Am Montag zu hoffen, dass die Woche schnell vorbeigeht? Das Leben ist endlich und man sollte jeden Tag bewusst angehen und versuchen zu geniessen, denn man weiss nie, wann es der letzte Tag sein wird. Genau das und vieles anderes wurde uns sehr bewusst. Jeder sucht sich mehr oder weniger das Leben selber aus, das er gehen möchte und wir haben uns für diesen Weg entschieden, auch wenn es uns klar ist, dass es nur für eine befristete Zeit möglich ist. Wir leben das Leben und wir sind sicher, viele von den Leuten Zuhause können es nicht so richtig nachvollziehen.
Interessanterweise machen sich ein paar Leute Zuhause Sorgen um uns, was ich verstehen kann, denn wir sind ja schliesslich irgendwo in der Welt unterwegs. Wir können diejenigen beruhigen, denn das Reisen ist unser Alltag und nicht gefährlicher als der Alltag Zuhause. Klar, waren wir teils in Ländern, die nicht ganz so sicher waren wie die Schweiz oder Deutschland, dennoch verbringen wir die Zeit nicht an Orten, die wirklich gefährlich sind. Wozu auch?
Fragt ihr euch, wie man sich so eine lange Reise leisten kann? Man denkt immer, dass man dazu viel Geld benötigt, was nicht wahr ist. Wir machen keine Ferien, sondern eine Weltreise, was ein grosser Unterschied ist. Zumindest, wenn man nicht im Lotto gewonnen hat und deshalb eine Reise machen kann. Wir haben beide Geld gespart und das meiste, als wir entschieden haben, eine längere Auszeit zu nehmen. Wenn man möchte, kann man wirklich viel Geld sparen. Auf viele Sachen haben wir verzichtet und dies war ohne Probleme möglich. Wir pflegen einen günstigen Reisestil, wo wir auf viel Luxus verzichten, aber alles haben was wir brauchen. Seit wir mit unserem Van unterwegs sind, ist uns noch viel bewusster geworden, wie wenig man eigentlich zum Leben braucht. Pro Tag brauchen wir ca. CHF 30.-/EUR 25.- für Essen (beide zusammen) und nochmal etwa CHF 35.-/EUR 30.- fürs Benzin. Übernachtungskosten haben wir eher selten, da wir versuchen wild zu campen. Wir gehen nie in ein Restaurant oder eine Bar, da uns dies zu teuer ist. Was man auch nicht vergessen darf, dass wir fast keine Fixkosten haben. Die Reiseversicherung (Unfall/Krankheit) und die Zebrabox mit unseren paar wenigen Habseligkeiten, die wir Zuhause eingelagert haben, sind fast die einzigen Ausgaben, die etwas teurer sind. Wir haben keine Miete zu bezahlen, kein SBB-Abo, kein Fitnesscenter etc. Man muss einfach bereit sein, auf Luxus zu verzichten, um so lange Reisen zu können. Zu Luxus gehört inzwischen auch eine tägliche Dusche. Das haben wir schon seit geraumer Zeit nicht mehr und wenn wir mal wieder die Möglichkeit haben, freuen wir uns umso mehr darauf 😉 Ich weiss, was für Bilder nun in euren Köpfen rumschwirren, aber wenn man nicht täglich duschen kann, heisst das nicht, dass man unhygienisch unterwegs ist und stinkt. Es gibt andere Möglichkeiten, sich zu pflegen.
Und nun komme ich zu einem Thema, wo sich vermutlich auch einige Fragen, wie das funktioniert: 7x24h mit demselben Menschen zusammen zu sein. Vor der Abreise haben mich ein paar gefragt, ob ich mir das vorstellen könne, immer nur mit Eik zusammen zu sein. Auch nach 595 Tagen können wir uns noch in die Augen schauen und sind happy, diesen Schritt gewagt zu haben. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass wir nie die kleinste Meinungsverschiedenheit hätten, jedoch sind diese Momente selten. Wir haben uns sehr gut kennengelernt und können wunderbar miteinander umgehen. Das Wichtigste ist wohl, dass wir einander immer noch respektieren und darüber reden, wenn wir etwas nicht gut finden. Es gibt kein Geheimrezept, aber wenn man den gegenseitigen Respekt und Toleranz verliert, hat man wohl nicht nur das verloren. Da wir uns vor über 9 Jahren in Australien kennengelernt haben und wir dort schon 6 1/2 Wochen zusammen gereist sind, hatten wir schon damals die erste Erfahrung mit so viel Nähe gemacht 😉 Was wir aber nicht verleugnen können, dass das Wetter ein grosser Einflussfaktor auf die Stimmung ist. No sun, no fun… Klingt jetzt allerdings schlimmer als es ist und trotzdem hat es ein Fünkchen Wahrheit dabei.
In unseren vielen Gesprächen haben wir z. B. auch herausgefunden, dass mein Kinderzahnarzt Dr. Bär hiess und der von Eik Dr. Wolf 😉
Wie gesagt, wir hatten viel Zeit für Selbstreflektion und wir sehen ein paar Dinge nun etwas anders. Ich hatte schon lange das Motto: “Leben und leben lassen”. Inzwischen ist das noch viel tiefer in mir verankert und ich hoffe, dass ich das aufrecht erhalten kann, wenn ich wieder im total normalen Alltag zurück bin. Vor allem in Zürich ist mir das aufgefallen, dass vieles oberflächlich ist und es um “sehen und gesehen werden” geht. Wozu? Ist es wirklich so wichtig, Markenklamotten zu tragen? “Hast du gesehen, wie die/der rumläuft?” “Hat er/sie zu-/abgenommen?” So vieles beruht auf Äusserlichkeiten und man blendet völlig den Menschen aus, der dahinter steckt. Jeder Mensch trägt einen Rucksack mit sich rum und dennoch verurteilen wir vielfach jemanden anhand des Äusseren. Vielleicht ist dieses Verhalten menschlich, allerdings bin ich inzwischen der Meinung, dass man sich viel toleranter begegnen sollte.
Nach 6 Monaten war ich froh, nicht nur unbezahlten Urlaub genommen zu haben. Nach einem Jahr bin ich erst richtig im Reisemodus angekommen und bin viele Dinge entspannter angegangen. Nach 1 1/2 Jahren war ich froh, dass wir uns entschieden haben, länger zu reisen 🙂
Diesen Beitrag habe ich heute Morgen nach dem Aufwachen geschrieben, weil es mein Bedürfnis war, nicht nur von unseren Reiseerlebnissen zu erzählen. In diesem Sinne bis zum nächsten Mal…